Mittwoch, 17. Juli 2013

Breithorn Nordwand (Triftjigrat)

Am Samstag stand alles unter schlechten Vorzeichen. Die Gandegghütte hatte keinen einzige Schlafmatratze mehr frei, ok dann biwaken wir halt wiedermal - ein Biwak verleiht der Tour ja schliesslich immer einen besonderen Touch, je kälter und windiger, desto unvergesslicher das Abenteuer.
Beim Bahnhof Visp stiess Kathas Seilpartner, Adrian, zu uns - wegen rauchproduzierendem Motor auf dem Grimselpass allerdings später als geplant. Dank einem mittellangen Sprint mit schwerem Bergmaterial durch ganz Zermatt, im Zickzack den vielen Touris ausweichend, reichte es ganz knapp, um der Frau hinter dem Schalter der Klein Matterhorn Bahn vor ihrem Feierabend noch 4 Tickets und ein mürrisches "ihr seid aber spät dran" zu entlocken!
Von der Station "Trockener Steg" aus erreichten wir über aufgeweichte Firnfelder die Gandegghütte, wo wir nach grosser Teigwarenportion vom Kocher mit dem Feldstecher die Route durch die Breithorn Nordwand inspizierten und nach Spuren absuchten. Mhhh...draussen ist das Essen stets viel feiner als Zuhause, oberhalb der 3000müM-Grenze oder nach genügend anstrengender Tour läuft mir sogar beim Anblick blosser Teigwaren ohne Kochsalz das Wasser im Mund zusammen - alles ist eben relativ.


Unsere Schlafsäcke rollten wir unterhalb der Hütte aus, ganz unbeirrt der aufziehenden fetten dunkelgrauen Wolken am Himmel über uns. Wegen der Nässe haben wir den Boden mit dünnen Steinplatten belegt, den Wind sollten grosse aufgestellte Platten abhalten. Kaum war unsere Plattenlegeraktion beendet und von Bauingenieur Manu P-Eco zertifiziert, fielen auch schon die ersten Regentropfen, obwohl laut Wetterradar hier kein Niederschlag fallen sollte.
Wir erinnerten uns an den Namen der Gondelstation, "Trockener Steg", dort finden wir bestimmt ein trockenes Plätzchen unter irgend einem Vordach. Die 20 Minuten Wiederabstieg nahmen wir in Kauf für eine trockene Nacht, denn morgens um 1:45 durchnässt aus dem Schlafsack zu steigen und dann mehrere Stunden anstrengend unterwegs zu sein, ist nicht gerade das wahre.
Die Zügelaktion erwies sich als brandrichtig, regnete es doch die ganzen späten Abendstunden immer wieder. Und über dem italienischen Himmel spielte sich eine wahre Blitzlicht-Show ab, und zwar anhaltend von Mitternacht bis zu unseren ersten Schritten um 2:40 Uhr auf dem unteren Theodulgletscher.
Kaum die Steigeisen montiert, donnerte es 2x kurz und heftig. Nein, das war nicht das Gewitter, das war Eisschlag in der Breithorn Nordwand – unheimlich, das im Dunkeln zu hören, aber nicht zu sehen wo genau die riesigen Eismassen abbrechen. Nach Querung des unteren Theodulgletschers entschieden wir uns, anstelle der Traverse unterhalb einer Eisschlagzone, lieber gegen Norden auszuholen.
Über die erste Firnflanke (45°) mit einem zurzeit rechts noch sehr gut passierbaren Bergschrund stiegen wir auf einen Rücken, dort zeigte sich die Sonne erstmals schüchtern und erhob sich über die Bergkette am Horizont – wie schön!

 
Eine kurze einfache Felspassage und bisschen Firngestapfe später erreichten wir das Triftjiplateau. Nach Anseilen querten wir das Plateau in „Sprinttempo“ (Eisschlag, das Plateau war übersät mit kleinen und grossen Eisbrocken!) und retteten uns über den mittlerweile breiten Bergschrund (zurzeit ganz links, neben einem grossen Felsen, passierbar) in den eisschlaggeschützten Bereich. Nach dieser anstrengenden Aktion spürte ich meinen Puls selbst in den Ohren. Noch ein paar Höhenmeter gingen wir weiter, um einen Felszacken in der 55° Flanke legten wir das Seil drumherum, verpflegten unsere knurrenden Mägen und stiegen anschliessend unangeseilt weiter. In dieser 2. Firnflanke wurden wir durchwegs mit bestem Trittschnee verwöhnt, aber 1-2 Stunden später hätte ich in der NE-exponierten Flanke nicht mehr sein wollen, 10cm in der Tiefe war der Schnee wenig feucht und die Sonne schien uns mittlerweile in den Rücken.

Am Ende der 2. Firnflanke querten wir leicht nach rechts und erreichten so den Mixed-Teil der Route. Für mich war hier die Schlüsselstelle der Tour, wir fanden 5-15 cm bröseligen Schnee auf Eis vor. Das Gipfelfirnfeld war wiederum in bestem Zustand, auf dem Peak angekommen wurden wir von den zahlreichen Normalroutengänger willkommen geheissen und neugierig über die Route ausgefragt.


Nach einem 1stündigen gemütlichen Spaziergang über die Breithorn Normalroute runter zur Klein Matterhorn Bahn waren die Anstrengungen für uns zu Ende. Nach einer heissen Schoggi und letzten Blicken in die Nordwand von der Station Trockener Steg aus machten wir uns auf den Heimweg nach Bern zurück – mit eindrücklichen Erinnerungen und Genugtuung über den reibungslosen Sonntag nach dem Samstag voller schlechter Vorzeichen. Danke Manu, Katha und Adrian für das schöne Wochenende!