Sonntag, 5. Mai 2013

Hart-Härter-Mezzalama


Ein Rennen der Superlative, ein Spektakel der Superlative, eine Route der Superlative, italienische Rennstimmung der Superlative, eine Motivation der Superlative, ein Leiden der Superlative, ein Aufwand der Superlative, eine Ungewissheit der Superlative – recht viel war einfach recht krass und so bin ich am Morgen nach dem Rennen immer noch im Rennnfieber J.
Ursprünglich war es die aussergewöhnliche Routenführung, die mich am Mezzalama packte. Vom Tal auf einen 4000er zu rennen, diesen über einen langen spektakulären Schneegrat zu überschreiten und so lange über 3800 m.ü.M. Vollgas zu geben, das ist halt einfach nicht alltäglich.



 



So viel Aufwand habe ich beim besten Willen noch nie nie nie für ein Rennen betrieben! Angefangen bei der Teamsuche – wer macht schon mit mir mit  - als wir anmelden mussten, hatte ich grad einmal drei Skitourenrennen bestritten in letzter Saison, dies mit recht schwerem Material und somit auch kaum Zeiten aufzuweisen, die ein erfolgreiches Mezzalama hätten erahnen lassen können. Zum Glück hat mir Christa ihr Vertrauen geschenkt und Selina war auch voll motiviert die Sache anzupacken! Zweite Überraschung war, dass wir tatsächlich einen raren Startplatz erhielten, obwohl wir ja insgesamt wenig im verlangten Renncurriculum zu bieten hatten. Dann kam das Materialtuning. Hier ein Gramm, da ein Gramm und nun bin ich überglücklich dafür investiert zu haben. Nicht nur am Mezzalama hilft Leichtgewicht, es wertet auch fast jede andere Tour auf, wenn ich mit meiner Kraft weite Touren laufen kann oder kürzere etwas leichter fallen J. Zuerst hatte ich bezüglich Leichtgewicht Bedenken. Wenn aber Spitzenathleten mit einem absoluten Leichtgewichtski über schwierigen Schnee rasen können und sie in einem so leichten Schuh diese Leistungen erbringen, warum sollte ich zweifeln? Und so ist es nun: Ich habe nur sehr wenige gebrochene Skis gesehen, ich kann damit tiptop fahren, der Schuh ist super bequem und Stabilität habe ich auch darin. Medical Cerficat und 20m Seil, weitere Extrawürste erfüllten wir für die Mezzalamaorganisatoren.
Nach Teamsuche und Materialtuning war das Wetter unsere nächste Herausforderung. Zwar war ich mir bewusst, dass das Rennen auf Sonntag verschoben werden kann, aber eine ganze Woche…davon hatte ich wirklich noch nie gehört! Da startete eine Woche voller Ungewissheit: An welchem Tag würde das Wetter einen Start erlauben? Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag oder in zwei Wochen? Wer von welchen Teams konnte sich dies inkl. langer Anreise einrichten, welche Arbeitgeber erlauben so kurzfristig einen freien Tag? Ein Krimi. Schlussendlich wurden aus drei Teams zwei, die Anreise super knapp, 1 Teilnehmer an der Startnummerausgabe und 5 Teilnehmer erst nach Mitternacht im Hotel, hinliegen für ein bis zwei Stunden Schlaf, im Italiensichen Nobelhotel in Cervinia ein Rennmorgenessen suchen – die haben noch nie etwas von Sportlehrernährung gehört – wie gesagt eben einfach ein Krimi.

 
Da standen wir aber tatsächlich am Start."Wir" bedeutet Christa, ich und Mägi, Ersatzläufer für Selina, die im Spital festgehalten wurde, weil der Assistenzarztkollege prompt diese Woche in den Ferien war und sie dort unmöglich weg kam. Um fünf Uhr morgens gab der Speaker alles, so richtig italienische Rennstimmung eben – siehe Film J - Hühnerhautstimmung – Startschuss und los gings.

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Dt1O9q1gVbU

Nach 20 m war die Skipiste so steil, dass viele stürzten und andere mitrissen, runterrutschten, schrien, Partner suchten.  Unsere pinkigen Pomoca Felle hafteten perfekt (Fäbu hat sie super  aggressiv geschliffen :) ) und wir liefen Slalom um die zappelnden Skitourenrennläuferhäufchen, die sich aufrappelten, wieder rutschten, Stock in zwei Teile brachen und versuchten im Tännlischritt wieder Halt zu finden. Zuschauer schrien daidaidai, Teilnehmer pfiffen, um ihre Partner zu finden und riefen immer und immer wieder deren Namen. Für alle, die vom Chaos nicht betroffen waren wahnsinnig spannend zuzuschauen. ;)

Zeitstress - in zweieinhalb Stunden 1800 hm zur ersten Zeitlimite
 
 

Bald einmal stellte sich heraus, dass ein Teammitglied nicht den Hochformstart erwischt hatte und so begannen wir nach einer Stunde mit der Schwanzschnur zu arbeiten. Ich wusste, dass wir niemals 720 hm pro Stunde laufen würden, wenn ich den Puls so tief hatte. Und so schafften wir es genau zur Zeitlimite der Männer einzutreffen, hätten zwar bei den Damen noch 15 Minuten länger haben dürfen, aber ich hielt es für sehr unwahrscheinlich die zweite Zeitlimite zu erreichen, wenn die erste schon so knapp gewesen wäre. Super Überraschung auf dem Breithornpass, da verpflegten uns Senggihängler mit Tee, Banane und guten Zusprüchen - wow, vielen Dank! Das hatte ich wirklich nicht erwartet!!!
In wenigen Sekunden anseilen, der 8chter ist schon vorbereitet im Rucksack. Mit Karabiner einhängen ist nicht erlaubt.
 Am Seil schnell gerade fahren war nicht für alle Teams einfach :)
 
am Fuss des Pollux vorbei
Auf den Castor (4226 m.ü.M.) hochsteigen war erstklassig! Super Trittschneeverhältnisse, stahlblauer Himmel, kein Wind, angenehm warm im Dynafit Core Tex Jäckchen. Wir erwischten zum Glück die linke Spur, die mit einer Leiter über einen Bergschrund  führte.
Bis zum Breihornpass konnte ich volle Kraft einsetzen und hier am Castoraufstieg spürte ich die Höhe zum ersten Mal, musste richtig schnell atmen und naja... hier hatten Rennkritiker für einmal Recht. Leider hatte ich viel zu wenig Zeit mich umzuschauen, es war wunderschön aber für mehr als einen Gipfeljauchzer hatten wir um 9:30 Uhr (4,5 h) nicht Zeit.
An einigen Stellen hätte ich gerne die Skis angezogen, statt sie auf dem Rücken runter zu tragen. Unten wartete die zweite Zeitlimite und wie auf dem Bild zu sehen ist, wäre es eine super Abfahrt gewesen - da hätte ich die Nummer am liebsten schnell versteckt :)
Eine Stunde Abstieg und da wussten wir, dass wir die zweite Zeitlimite mit 6 Minuten Reserve auch geschafft hatten. Aber wie auf der Karte zu sehen ist, lag noch eine rechte Strecke vor uns. Genauer gesagt war es ungefähr die zeitliche Mitte unserer Totalzeit. Die Höhe machte uns allen langsam wirklich zu schaffen. Es galt eine weite, flache Strecke zu bewältigen und dann noch auf die Naso del Lyskamm hoch, lächerliche 600 hm die sich anfühlten, als müsste ich einen 50 kg Rucksack hochschleppen! Wenn ich wirklich konditionelle Probleme habe, zähle ich immer Schritte. Ich überlege mir, wie viele Schritte es sein könnten bis zu einen bestimmten Punkt und beginne zu zählen. Christa wollte mir nicht erlauben, immer nach 40 Schritten 20 Sekunden Pause zu machen, und Recht hatte sie. Wir wären nie oben angekommen, ich zählte weit über 1000 Schritte! Wenn ein nächstes Mal Mezzalama, dann nur mit Höhenanpassung, habe ich mir hinter die Ohren geschrieben :)
Zuerst wieder endlos flach - zum Glück nun ohne Zeitstress!
 
Aufstieg auf die Lyskammnase
 
Wieder runter an Fixseilen. Meine Güte, da hätte man doch fahren können! Der Abstieg war auf diese Weise ungemein anstrengend. Auf dem Bild sind Topathleten zu sehen und später bei uns hatte es etwa 1m tiefe Gräben in welchen wir runterrutschten. Mit unseren Alusteigeisen waren wir teils auf Blankeis und das ganze hochkoordinative Spiel am verkürzten Seil mit Skis die überall touchierten, Stöcken am Handgelenk und Hand am Fixseil - meiner Ansicht nach viiiiel gefährlicher als wenn wir runter fahren hätten dürfen. Damit wir uns bei der Abfahrt am Seil auch noch  anstrengen mussten, sieht man auf dem Bild, die Traverse die Schlittschuhschritt verlangte.

Dieser Topathlet zeigt eine spannende Abstiegsvariante mit dem Pickel :)
 
Endlich die wirkliche Abfahrt - unglaublich lang im Pflotschschnee, nicht allzu schlimm aber schön auch nicht. Umso schöner dann...
 ...wir haben es geschafft!!!!! :):):)
 

 300 Startplätzen hatte es, Rang 226 gehörte uns :)
 
Vielen Dank Christa und Mägi! Wie der Speaker morgens gesagt hat: Ein Erlebnis, das man nie vergessen wird!


(Weil ich leider leider wirklich keine Zeit hatte zu fotografieren, sind alle Bilder von der Mezzalama Facebook Seite, mit Ausnahme des Zieleinlaufs.)